Das Grundeinkommen im Praxistest

Treffen im Rahmen des 6. internationalen Stammtischs

Am 22. September beging die zivilgesellschaftliche Weltbewegung zur Einführung eines individuellen, armutsfesten bedingungslosen Grundeinkommens (BGE/“basic income“) vielerorts ihren 6. internationalen Stammtisch. Im Nienburger Kulturwerk-Bistro konnte Dorian Spange vom Sprecher:innenkreis der hiesigen Bürgerinitiative (BI BGE) eine interessierte Runde begrüßen – auch zum nachfolgenden Altstadtfest-Bummel. In zwei Video-Dokumentationen wurden die Pro-Contra-Positionen sowie der aktuelle Stand der BGE-Praxisprojekte in Deutschland vorgestellt.

BI-Sprecherin Gudrun Selent-Pohl ergänzte die Pro-Contra Dokumentation mit Hinweisen auf das erste, seit etwa neun Jahren laufende BGE-Erprobungsprojekt „Mein Grundeinkommen“. Vom jungen start-up-Unternehmer Michael Bohmeyer initiiert, werden nach Spendeneingang jährlich mehrere Grundeinkommen gelost und deren überwiegend positiven Effekte publiziert.

Die nachfolgende MDR-Dokumentation zeigte das auf drei Jahre angelegte große wissenschaftliche BGE-Begleitprojekt „Pilotprojekt Grundeinkommen“. Es wird federführend vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) zusammen mit Wissenschaftler:innen der Uni Köln, des Max-Planck-Instituts und dem Verein „Mein Grundeinkommen“ durchgeführt. Wiederum aus Spendenmitteln erhalten 122 ausgeloste Teilnehmer:innen für drei Jahre monatlich 1.200 Euro. Im Laufe des Jahres 2024 wird die mit Spannung erwartete Studie dazu vorliegen – insbesondere zur Furcht vor nachlassender Erwerbsbereitschaft und zur Finanzierbarkeit.

In der anschließenden Diskussionsrunde betonte BI-Sprecher Axel Nürge, das BGE sei nach bislang vorliegenden Steuerberechnungen durchaus finanzierbar, aber nur durch eine Umverteilung von „reich“ zu „arm“: „Bei dem von uns favorisierten Finanzierungsmodell erhalten alle Menschen mit weniger als 6.500 Euro brutto Monatseinkommen einschließlich Grundeinkommen netto mehr als bisher, darüber trotz BGE weniger. Erwerbslose, prekär Beschäftigte und Mittelstand werden profitieren, Reiche teilen.“

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass die derzeitigen Praxistests und deren wissenschaftliche Begleitung zur weiteren Akzeptanz des BGE beitrügen. Immerhin befürworteten inzwischen etwa 50 Prozent der Bevölkerung das Grundeinkommen und auch wichtige gesellschaftliche Institutionen wie die Katholische Arbeiterbewegung (KAB) und der Bund Katholischer Jugend (BDKJ) seien neu hinzugekommen.

Veranstaltungsreihe zum 11-jährigen Jubiläum

Anlässlich des 11-jährigen Jubläums unserer Bürgerinitiative Bedingungsloses Grundeinkommen stellen wir vom 12.– 15. Oktober eine Ausstellung zum Bedingungslosen Grundeinkommen im Vestibül des Rathauses Nienburg aus. In ihr wird sehr detailliert auf alle Fragen im Zusammenhang mit dem BGE eingegangen, zu Modellen, Beispielen und auch den philosophischen Wurzeln des BGEs. Begleitend dazu finden an drei aufeinanderfolgenden Abenden am selben Ort Veranstaltungen zum Grundeinkommen statt.


Eröffnet wird die Ausstellung vom Werner Rätz (Attac-AG „Genug für alle“), der die Ausstellung konzipiert hat, am Dienstag, 12. Oktober um 19:30 Uhr im Vestibül des Rathauses Nienburg. In einem Vortrag geht er auf die Notwendigkeit eines Bedingungslosen Grundeinkommens ein.

Am Mittwoch, 13. Oktober, ebenfalls ab 19:30 Uhr dürfen sich die Nienburger*innen dann auf eine Kabarett-Veranstaltung freuen:

Jakob Friedrich ist knapp 20 Jahren Facharbeiter in der schwäbischen Metall- und Elektroindustrie. In seinem ersten Solo-Programm „I schaff mehr wie Du!“ analysiert er in charmanter Art und Weise die schwäbische Mentalität sowie politische und wirtschaftliche Zusammenhänge. Er nimmt sein Publikum mit auf die Reise in seinen Arbeitsalltag und imitiert auf hinreißend komische Art seine Kollegen und Vorgesetzten.
Der Comedian und Kabarettist überzeugt mit einem sehr kurzweiligen und pointenreichen Programm voller Situationskomik und Sprachwitz. Seine Themen sind mitten aus dem Leben gegriffen. Die von ihm beschriebenen Alltagssituationen werden durch seine witzigen Schilderungen zu kuriosen Begebenheiten, die dem Publikum den alltäglichen Wahnsinn vor Augen führen.
Dabei geht er auch auf die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ein, die für viele seiner Probleme eine Lösung sein könnte.

Leider muss die Veranstaltung mit Inge Hannemann aus persönlichen Gründen ausfallen.




Die ausführlichen Antworten der Bundestagskandidat*innen

Anlässlich der Bundestagswahl hat die hiesige Bürgerinitiative Bedingungsloses Grundeinkommen Nienburg/Weser die Direktkandidat*innen des Wahlkreises 40 sieben sozialpolitische Fragen gestellt. Themen waren u. a. das Bedingungslose Grundeinkommen, eine Kindergrundsicherung und die Abschaffung von Hartz-IV. Mit Ausnahme der FDP und den Freien Wählern haben alle befragten Kandiderenden geantwortet. AfD und dieBasis wurden nicht befragt.

Hier werden die ausführlichen Antworten der Kandidat*innen veröffentlicht:


1. Wie stehen Sie zu der Idee der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) mit den vier Kriterien existenz- und teilhabesichernd, individueller Rechtsanspruch, ohne Bedürftigkeitsprüfung sowie ohne Arbeitsverpflichtung, Gegenleistungen oder Sanktionen in Deutschland?

Maik Beermann (CDU, MdB): Auch wenn die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens sicherlich faszinierend ist, ist dieses ohne deutliche Steuererhöhungen in gewissen Bereichen nicht finanzierbar. Die erhebliche Subventionierung von Arbeitgebern durch das bedingungslose Grundeinkommen macht einen deutschen Alleingang in diesem Bereich zudem vor dem Hintergrund des Europäischen Binnenmarkts unmöglich. Aussichtsreich kann daher ausschließlich ein europäisches Grundeinkommen sein, welches aufgrund der gravierenden Lohnunterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten mittelfristig nicht realisierbar ist. 

Marja-Liisa Völlers (SPD, MdB): Unser Ziel ist Vollbeschäftigung mit gerechten Löhnen. Unsere Antwort auf den Wandel der Arbeitswelt ist ein „Recht auf Arbeit“. Das bedeutet für uns, dass sich die Solidargemeinschaft dazu verpflichtet, sich um jede einzelne Person zu kümmern und allen Arbeit und Teilhabe ermöglicht. Weil sich Arbeit verändert, soll es auch die Möglichkeit für die eigene Weiterbildung und Weiterentwicklung geben.
Arbeit bedeutet auch die Sicherung der Existenz. Das ist ein grundlegendes Bedürfnis. Für sich selbst und die Familie. Diese Sicherheit gibt es nur, wenn man auch langfristig planen kann: Eine gute Wohnung finden, die Miete bezahlen, den Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen.
Wir wollen im nächsten Deutschen Bundestag die Grundsicherung zu einem Bürgergeld entwickeln. Unser Bürgergeld steht für ein neues Verständnis eines haltgebenden und bürgernahen Sozialstaats. Die Regelsätze im neuen Bürgergeld müssen zum Leben ausreichen und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen. Das Bürgergeld muss absichern, dass eine kaputte Waschmaschine oder eine neue Winterjacke nicht zur untragbaren Last werden. Die Kriterien zur Regelsatzermittlung werden wir weiterentwickeln und hierbei die Erfahrungen von Betroffenen und Sozialverbänden mit einbeziehen.